Ulnakopfprothese
„Alles dreht sich um den Ulnakopf" Im Gegensatz zum weitläufigen Verständnis stellt nicht die Speiche, sondern der Ulnakopf das Zentrum für die Unterarmdrehbewegung dar (Abb. 1).
Bereits unter diesem anatomischen Gesichtspunkt leitet sich die Bedeutung des Ellenkopfes für die Beweglichkeit im Hand- und Unterarmbereich ab. Einen hohen Stellenwert erlangt der Ulnakopf jedoch nicht nur durch seine gelenkige Verbindung zu dem körperfernen Speichenende, sondern auch durch die ligamentäre Verbindung zu den Handwurzelknochen (Abb. 2). Hauptstabilisatoren in dem körperfernen Speichenellengelenk (DRUG = distale Radioulnargelenk) stellen der ulnocarpale Bandkomplex mit den palmaren und dorsalen radio-ulnaren Bändern, die Membrana interossea, das Retinaculum extensorum und die Gelenkkapsel dar. Nicht zu vernachlässigen ist die muskuläre Stabilitätssicherung durch den M. pronator quadratus und M. extensor carpi ulnaris. Entsprechend führt eine Schädigung in eine der Verankerungssäulen unweigerlich zu einer Schädigung in einem anderen Gelenkbereich. Ursache des Verschleißes im DRUG stellen daher:
- Formvarianten des Ulnakopfes (z.B. Ulnaplusvariante, Madelung'sche Deformität))
- Frakturen des Ellenkopfes
- Arthritis und Instabilitäten der Bandverbindungen dar.
Obwohl der isolierte Bruch des Ulnakopfes selten auftritt, stellt die distale Radiusfraktur mit Beteiligung der Gelenkfläche zum Ulnakopf (Incisura ulnaris) wiederum eine häufig auftretende Frakturform dar. Eine in Fehlstellung ausgeheilte distale Radiusfraktur ist ein prädisponierender Faktor bei der Entstehung eines Verschleißes im distalen Radioulnargelenk (Abb. 3).
Klinik und Diagnostik
Die Patienten klagen unter belastungsabhängige Schmerzen auf der Ellenseite des Handgelenkes. Bei der Untersuchung imponiert ein lokaler Drucksschmerz mit einem Klaviertastenphänomen des körperfernen Ellenkopfes. Bei Vorliegen einer Arthrose führt die zangenförmige Kompression des Handgelenkes bei gleichzeitiger Drehbewegung zu Schmerzen.
Behandlung des Gelenkverschleißes im distalen Radioulnargelenk
Zur Behandlung der Arthrose im distalen Radioulnargelenk stehen grundsätzlich operative wie konservative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Letztere umfassen eine Handgelenksorthese, Krankengymnastik, Ergotherapie, sowie Einnahme nicht steroidaler Antiphlogistika.
Operativ kommen:
- das Denervierungsverfahren nach Wilhelm,
- die Resektion des Ulnakopfes (Darrach Operation)
- die Arthrodese des distalen Radioulnargelenkes mit Segmentresektion (OP nach Sauvé und Kapandij)
- die Hemiresektionsarthroplastik nach Bowers und
- die Alloarthroplastik des Ulnarkopfes
zum Einsatz.
Bei dem Verfahren nach Wilhelm werden der Nervus interosseus dorsalis und cutaneus antebrachii dorsalis durchtrennt. Der Operation lastet an, dass die Schmerzen nach 1 bis 10,5 Jahren je nach Untersucher (Foucher 2001) wieder auftreten. Durch die vollständige Entfernung des Ellenkopfes, wie es in dem Verfahren nach Darrach beschrieben wird, bleibt lediglich die Membrana interossea und ein Teil des M. pronator quadratus als stabilisierende Elemente im ehemaligen distalen Radioulnargelenk erhalten. Entsprechend häufig treten Schmerzen durch das Anschlagen des Ulnaendes gegen den Radius auf.
Bei der Hemiresektionsarthroplastik nach Bowers wird die gelenktragende Hälfte des Ulnakopfes entfernt. Der operativen Behandlung nach Bowers lastet an, dass durch dieses Operationsverfahren die knöcherne Abstützung des Ellenkopfes gegen die Ulna fehlt, woraus eine Instabilität der Bandverbindung in dem distalen Radioulnargelenk (DRUG) resultiert. Das Einbringen eines Weichteilpolsters zwischen Elle und Speiche soll hier das knöcherne Widerlager ersetzten. Trotz dessen kommt es jedoch langfristig dazu, dass der verbliebene Ellenkopfanteil sich dem Radius nähert, hieraus resultiert letztlich, dass der Griffelfortsatz der Elle gegen das Os lunatum im Sinne eines radiolunären Impaktsyndroms resultiert (Abb. 4). Daher sollte gleichzeitig eine Verkürzungsosteotomie an der Ulna stattfinden.
(Abb. 5)
Eine Alternative zu der Methode nach Bowers stellt die Operation nach Sauvé und Kapandji dar (Abb 5). Hierbei wird eine Arthrodese zwischen dem körperfernen Speichenende und dem Ulnakopf durchgeführt. Gleichzeitig wird ein Knochensegment aus der distalen Ulna herausgesägt. Beim Verfahren nach Sauvé und Kapandji können zwar die beschriebenen Probleme wie bei der OP nach Bowers verhindert werden, die Instabilitätsproblematik der Ulna verlagert sich jedoch auf das resezierte Ellensegmentniveau. Daher resultieren die gleichen Probleme, wie sie bei der vollständigen Entfernung des Ulnakopfes (OP nach Darrach) beobachtet werden. Außerdem treten sekundäre Verknöcherungen in dem Resektionsspalt auf, woraus eine Behinderung der Unterarmdrehbewegung resultiert.
Durch die beschriebenen Operationsmethoden kann in den meisten Fällen eine langfristige Beschwerdeminderung erzielt werden. In den Fällen, in denen sich kein Therapieerfolg einstellt, also ein Therapieversagen der beschriebenen Behandlungsverfahren besteht, stellt der Einbau einer Ulnakopfprothese eine gute Behandlungsmaße dar (Abb. 6).
Ziel der Ulnakopfprothese ist es daher, eine stabile Situation im distalen Radioulnargelenk zu erzeugen, die eine schmerzfreie Unterarmdrehbeweglichkeit mit physiologischer Kraftübertragung wiederherstellt. Um ein funktionell gutes Resultat zu erzielen, sollte daher die Ulnakopfprothese gewährleisten, dass die beiden Unterarmknochen parallel zueinander ausgerichtet sind und die Membrana interossea, der M. pronator quadratus und die palmaren und dorsalen Bänder des TFCC Komplexes gespannt sind. Wichtig bei dem Einbau der Ulnakopfprothese ist die Schaffung eines kräftigen Weichtelmantels, der die Prothese umschließt und eine Fesselung des Prothesenkopfes gewährleistet.
Um dies zu erreichen, verwenden wir eine Prothese mit einer außenseitig aufgerauhten Oberfläche und integrierten Löchern (Abb. 7), um eine Fixierung des ellenseitigen Bandapparates (vornehmlich Griffelfortsatz der Elle) vornehmen zu können. Die Indikation zur Implantation einer Ulnakopfprothese sehen wir nach fehlgeschlagener Bowers oder Sauvé und Kapandji Operation.
Das im St. Martinus-Hospital praktizierte Stufenkonzept der Diagnostik und Therapie umfaßt bei einer Arthrose im distalen Radioulnargelenk (DRUG):
- Konventionelles Röntgen des Handgelenkes
- Computertomograpie des Handgelenks in Dünnschnitttechnik
- evtl. Handgelenkarthroskopie
- Hemiresektionsarthroplastik des Ulnakopfes (OP nach Bowers) mit Interposition von Faszie und Verkürzung der Ulna
- bei Therapieversagen Resektion des Ulnarkopfes und Implantation einer zementfreien Ulnakopfprothese
Voraussetzung für eine Ulnakopfprothese stellt eine gute Knochenqualität der Ulna dar, da im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten in Europa die Ulnakopfprothesen vornehmlich zementfrei implantiert werden.
Verfasser:
Dr. med. Jürgen Bong
Literatur:
Schoonhoven van J. et al. Neue Konzepte der Endoprothetik des distalen Radioulnargelenkes Hand, Mikro- und Plastische Chirurgie 1998 S 387-92
Foucher G., Bischop A.T. Wrist denervation in Watson, H.K., Weinzweig, J. (eds.) The wrist. Lippincott Williams & Wilkins 2001: 946-51
Wilhelm A. Die Gelenkdenervation und ihre anatomische Grundlagen Hefte zur Unfallheilkunde 86 1966